Nigel Farage, der ewige euroskeptische Störenfried der britischen Politik, wirft erneut einen langen Schatten – diesmal über die vorsichtigen Versuche des Labour-Premierministers Keir Starmer, die Beziehungen zur Europäischen Union neu zu gestalten. Mit dem Aufstieg von Farages Reformpartei in den Umfragen und deren Positionierung als ernstzunehmender Herausforderer findet sich Starmer in einem politischen Drahtseilakt wieder, in dem er nationale Druckverhältnisse und internationale Erwartungen ausbalancieren muss.
Der Farage-Faktor: Eine anhaltende Bedrohung
Farages Reformpartei, eine umbenannte Version seiner UKIP- und Brexit-Parteibewegungen, ist zu einem wachsenden Sorgenkind für Labour geworden. Nach der allgemeinen Wahl im Juli belegte die Partei in 98 Wahlkreisen den zweiten Platz, von denen 89 von Labour gehalten wurden. Viele davon liegen in den sogenannten „Red Wall“-Regionen, wo Labour nach Jahren der konservativen Dominanz wieder an Boden gewonnen hat, aber wo die Brexit-Stimmung weiterhin stark ist.
Farages Einfluss wird auch durch seine Nähe zu mächtigen Verbündeten gestärkt. Seine jüngsten Treffen mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump und Elon Musk signalisieren eine Stärkung seiner internationalen Unterstützung. Musks angebliche finanzielle Unterstützung für Reform erhöht die Einsätze nur weiter, während Farage sich auf bevorstehende Kämpfe vorbereitet, einschließlich der walisischen Parlamentswahlen 2026.
Starmers kalkulierte Zurückhaltung
Die Regierung von Starmer hat einen vorsichtigen Ansatz in Bezug auf die Beziehungen zur EU gewählt und betont bescheidene, pragmatische Verbesserungen anstelle einer mutigen Reintegration in europäische Strukturen. Der Brexit-Minister Nick Thomas-Symonds sagte kürzlich europäischen Beamten in Straßburg, dass die Hände der Labour-Partei durch die politischen Realitäten im Heimatland gebunden seien, insbesondere durch die wachsende Anziehungskraft von Farage.
„Er war entschuldigend,“ sagte ein EU-Beamter über Thomas-Symonds‘ Erklärung für die begrenzten Ambitionen der Labour-Partei. „Ich verstehe nicht, warum man in den ersten sechs Monaten seiner fünfjährigen Amtszeit Angst vor seinem eigenen Schatten haben sollte.“
Trotz der pro-EU-Neigungen der Kernwähler von Labour—78 % befürworten eine Rückkehr, wie Umfragen zeigen—hat Starmer entschieden ausgeschlossen, den Brexit rückgängig zu machen, da er die wahlpolitischen Gefahren erkennt, die mit der Entfremdung der Red Wall-Wahlkreise verbunden sind, in denen der Brexit ein prägendes Thema bleibt.
Farages Einfluss auf die EU-Beziehungen
Farages Schatten ist nicht nur ein innenpolitisches Thema; er ist auch in Brüssel spürbar, wo EU-Beamte die Erwartungen an den sogenannten „Reset“ dämpfen. Der Handelsvorsitzende des Europäischen Parlaments, Bernd Lange, beschrieb das wahrscheinliche Ergebnis als „praktische Verbesserungen“ anstelle eines transformativen Wandels. In der Zwischenzeit sorgen Spannungen über Themen wie Einwanderungsregeln und die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für weitere Komplikationen in einem ohnehin schon heiklen Prozess.
Die interne Debatte der Labour-Partei
Innerhalb der Labour-Partei wird darüber diskutiert, wie viel Aufmerksamkeit Farage wirklich verdient. Einige Strategen argumentieren, dass das überwältigende Wahlmandat von Labour Spielraum bietet, um eine ehrgeizigere europäische Agenda zu verfolgen. Andere warnen, dass Reform’s Fähigkeit, Wähler in entscheidenden Wahlkreisen abzuziehen, die Mehrheit von Labour bei zukünftigen Wahlen gefährden könnte.
Ein hochrangiger Labour-Offizieller gab zu, dass die Wiederauferstehung von Farage bereits den Ansatz der Partei geprägt hat. „Wenn Wähler hören ‚wir wollen näher an der EU sein,‘ denken sie sofort an Einwanderung,“ sagte der Offizielle. „Es spielt keine Rolle, ob wir das wirtschaftliche Argument präsentieren – alles kommt sofort zurück.“
Der Weg nach vorne
Da die Verhandlungen mit der EU 2025 an Intensität gewinnen sollen, stehen beide Seiten vor einem komplexen Umfeld. Europäische Führer drängen auf „konkrete Verpflichtungen“ von Starmer, um ein „Reset nur im Namen“ zu vermeiden, während Labour ein politisches Minenfeld im eigenen Land navigieren muss, wobei Farage die Spaltungen aus der Brexit-Ära schürt.
Farages Reformpartei, gestärkt durch internationale Unterstützung und innere Unzufriedenheit, stellt eine wachsende Herausforderung nicht nur für Labour, sondern auch für Großbritanniens umfassendere Bemühungen dar, über den Brexit hinauszukommen. Für den Moment setzt Starmer sein Balanceakt fort, mit einem Auge auf Brüssel – und dem anderen fest auf Farage gerichtet.