Der jüngste Angriff auf den Markt in Magdeburg hat das Augenmerk auf einen Verdächtigen, Taleb al-Abdulmohsen, gelenkt und ein Netz aus verpassten Warnungen, staatlicher Aufsicht und kulturellen Paradoxien aufgedeckt. Die saudischen Behörden arbeiten nun unermüdlich daran, Informationen über den Verdächtigen zu sammeln und die laufenden Ermittlungen in Deutschland zu unterstützen. Doch innerhalb der Mauern des saudischen Außenministeriums in Riad gibt es eine spürbare Frustration: Deutschland ignorierte mehrere Warnzeichen bezüglich al-Abdulmohsens extremistischer Tendenzen.
Ignorierte Warnungen und übersehene Warnzeichen
Zwischen 2016 und 2020 soll die saudische Regierung vier formelle Warnungen, bekannt als Notes Verbal, an die deutschen Geheimdienste und das Außenministerium in Berlin gesendet haben. Diese Mitteilungen hoben al-Abdulmohsens angebliche extremistischer Ansichten und potenzielle Bedrohung hervor. Doch laut saudischen Beamten wurden keine Antworten erhalten.
Ein Teil des Versäumnisses könnte aus Deutschlands Entscheidung stammen, al-Abdulmohsen 2016 Asyl zu gewähren. Sein Fall war Teil einer breiteren Welle von Einwanderung nach der Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, während der syrischen Krise über eine Million Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte al-Abdulmohsen bereits ein Jahrzehnt in Deutschland verbracht.
Geboren in der saudischen Stadt Hofuf im Jahr 1974, bleibt das frühe Leben von al-Abdulmohsen im Dunkeln. Nachdem er mit 32 Jahren Saudi-Arabien verlassen hatte, wurde er zu einem offenen Kritiker des Königreichs, indem er öffentlich den Islam ablehnte und eine Website gründete, um saudischen Frauen zu helfen, die nach Europa fliehen.
Die Saudis behaupten jedoch, dass seine Aktivitäten in den Bereich Menschenhandel abdrifteten, wobei umfangreiche Akten angeblich vom Innenministerium des Königreichs geführt werden.
Der Magdeburger Vorfall: Eine vermeidbare Tragödie?
Der Anschlag in Magdeburg hat Kritik an sowohl den deutschen Geheimdiensten als auch den lokalen Behörden entfacht. Al-Abdulmohsen soll mit einem BMW in einen überfüllten Weihnachtsmarkt gefahren sein und dabei einen unbewachten Notzugang ausgenutzt haben. Während Bundesermittler seinen Hintergrund prüfen, gibt es Fragen, warum frühere Warnungen nicht beachtet wurden.
Die deutschen Behörden haben das Layout des Marktes verteidigt, schweigen jedoch über den Umgang mit al-Abdulmohsens Asylfall und den angeblichen saudischen Warnungen.
Saudi-Arabiens gemischte Bilanz: Glaubwürdigkeit oder Bequemlichkeit?
Während saudi-arabische Beamte über Deutschlands Untätigkeit verärgert sind, kompliziert deren eigene Bilanz die Erzählung. Unter Thronfolger Mohammed bin Salman (MBS) hat Saudi-Arabien eine rasante Transformation durchlaufen—Kinos wurden wiedereröffnet, westliche Künstler wurden empfangen und Geschlechtergerechtigkeit in öffentlichen Räumen gefördert. Doch diese progressive Fassade existiert neben schweren Repressionen gegen politische und religiöse Freiheiten, wobei kritische Tweets gegen das Regime mit 10-jährigen Haftstrafen geahndet werden können.
Dieses Paradoxon wirft Fragen zu den Motiven hinter den saudischen Warnungen auf. Waren sie wirklich besorgt über Extremismus, oder versuchten sie, einen abweichenden Kritiker zu zügeln?
Ein Politisches Seilakt
Der Vorfall in Magdeburg verdeutlicht auch Deutschlands Kampf, Menschenrechtsanliegen mit internationaler Diplomatie in Einklang zu bringen. Während Saudi-Arabien ein wichtiger westlicher Verbündeter bleibt, insbesondere im Energiesektor, hat seine schlechte Menschenrechtsbilanz—einschließlich der Verfolgung von Frauenrechtsaktivisten und der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018—die Beziehungen belastet.
Trotzdem hat das Ignorieren glaubwürdiger Geheimdienstwarnungen eines globalen Partners Deutschland der Kritik an Selbstgefälligkeit ausgesetzt, insbesondere angesichts der steigenden Terrorismusrisiken in Europa.
Was kommt als Nächstes?
Während Saudi-Arabien mit deutschen Ermittlern zusammenarbeitet, bleiben Fragen offen, wie zukünftige Warnungen von Verbündeten—unabhängig von deren Menschenrechtslage—behandelt werden. Die Magdeburger Tragödie hätte vermieden werden können, wenn die Warnungen ernst genommen worden wären. Für den Moment muss Deutschland seine eigenen Mängel im Schutz der öffentlichen Sicherheit konfrontieren und gleichzeitig die moralischen Komplexitäten des internationalen Nachrichtenaustauschs navigieren.